taz am 8. Juni 2016
„Winkel auf Kern“: Eva Dittrichs Holz-, Wort- und Bildveredelungen
Cultivar ist ein Portmanteauwort, in dem sich zwei Wörter überlappen: „cultivated“ und „variety“, kultiviert und Varietät. Die linguistische Form ähnelt dem, was sie beschreibt, durch Züchtung oder Kreuzung gewonnene Kulturpflanzen nämlich, die sich von der Ausgangsart unterscheiden, Obstbäume etwa, die veredelt wurden, damit sie bessere Früchte tragen oder um alte Sorten zu erhalten. Mit solchen Techniken aus dem Obst- und Gartenbau hat sich Eva Dittrich beschäftigt und ihre Ausstellung entsprechend genannt: „Cultivar“. Als Materialschatz diente der Künstlerin das Holzarchiv ihres verstorbenen Vaters. Dieser hatte nach einem geeigneten heimischen Holz für den Instrumentenbau gesucht. Kanthölzer und Äste hat sie wie beim Kopulieren mit Bast verbunden und wie beim Aufpropfen ineinander gesteckt, ganz so, als wolle sie auf diese Weise das Fortbestehen der alten Hölzer, des Erbes ihres Vaters, sichern, Umwege finden, sich mit dem Verlust zu arrangieren. Der Gedanke setzt sich fort: Die Fotografie eines ausgestopften Tigers ist auf zwei Poster zerteilt. Man könnte sie wieder zusammen oder etwas dazwischen schieben. Ein Text verknüpft assoziativ Sätze von unter anderem Rainald Goetz, Lewis Carroll, René Pollesch und der Künstlerin. Er endet wie dieser und auf alle Fragen passend: „Die älteste Antwort: because.“
von Beate Scheder,
Kulturjournalistin und Kommunikationswissenschaftlerin M.A.